Prinzip Fan-Plattform: Die neue Unabhängigkeit für Künstler?
Das Prinzip Fan-Plattform ist einfach erklärt. Künstler, die bereits einen eigenen Stamm an Fans auf Social Media Seiten haben, mobilisieren diese zu einer weiteren Anlaufstelle. Dort bieten sie ihren Fans neben allgemeinen (kostenlosen) Informationen Zugang auf exklusive Inhalte. Fan-Plattformen dienen den Künstlern als neue Wege zur Selbstvermarktung; jeder Künstler kann seine Fans direkt ansprechen und die Begeisterung für sein Werk in bare Münzen tauschen.
Möglich sind diese Modelle - wenig verwunderlich - durch die fortschreitende Digitalisierung: Fans sind leichter und schneller zu mobilisieren denn je, komplexe Inhalte lassen sich einfach erstellen, speichern und teilen und Transaktionskosten, selbst für kleine Beträge, sind günstig geworden.
Aber wie so häufig steckt der Teufel im Detail. Ob eine Fan-Plattform Unabhängigkeit schaffen kann, liegt neben der richtigen Verwendung, an derem Konzept, wie mit Künstlern/innen und Inhalten in puncto Datenschutz, Eigentumsrechten und Zahlungsabwicklung umgegangen wird.
Relevante Fragen für die Beurteilung von Fan-Plattformen sind insbesondere in Deutschland nicht nur die plakativen technischen Möglichkeiten oder eine scheinbar zusätzliche Reichweite. Zentrale Fragen sind rechtlicher Natur: Wem gehört das Profil nach der Registrierung als Künstler samt den Inhalten und Kontakten, wie sind die Inhalte technisch geschützt und zugänglich, wie hoch sind die Gebühren, wie ist das Auszahlungsmodell, wie wird mit den persönlichen Daten umgegangen? Das ist kein schmaler Grad, sondern, im Sinne eines tragfähigen Konzepts zur Selbstvermarktung für Künstler, ein dickes Brett. Denn für Künstler, die aus Ihrer Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten, steht die Verwertung der eigenen Inhalte, und an wen man sich dafür bindet, seit jeher im Vordergrund; ob Galeristen, Verlage oder Musiklabel. Sämtliches Handeln richtet sich auf die möglichst nachhaltige Monetarisierung der eigenen Kreativität. Schädlich sind dabei Abhängigkeiten, die eine langfristige eigenständige Selbstvermarktung konzeptionell erschweren. Viele der oben genannten Aspekte sind für den kaufmännisch weniger fokussierten Künstler nicht auf den ersten Blick nachzuvollziehen. Bleibt die bedingungslose Unabhängigkeit trotz der vielen neuen und attraktiven Möglichkeiten für Künstler weiterhin ein Traumszenario? Hier entscheidet die eigene Zielsetzung, die bisherige Reichweite und die richtige Wahl der Plattform.
Im folgenden stellen wir drei Konzepte von Fan-Plattformen vor:
Patreon, das US-Konzept; Pionier und Platzhirsch aus den USA. Die Ursprüngliche Hauptzielgruppe sind “Creator” auf Youtube und deren Zuschauer. Jeder Künstler kann sich registrieren. Dabei räumt er der Plattform Nutzungsrechte an dem eigenen Profil und den Inhalten zum Zwecke der ausschließlichen Vermarktung gegenüber Abonnenten ein. Nach diesem Konzept wird der Künstler zum gebührenpflichtigen Lizenznehmer für Leistungen der Plattform, wie den Profilbetrieb, die Zahlungsabwicklung und andere sekundäre Leistungen. Für die Bereitstellung von Videos für die Fans sind Drittplattformen, wie z.B. Youtube oder Vimeo, notwendig. Die Zahlungsstrukturen für Fans und Künstler sind auf den ersten Blick nicht ganz transparent: Fans die Patreon in Deutschland nutzen, zahlen zusätzlich zu den vom Künstler ausgezeichneten Preis noch Mehrwertsteuer an die Plattform, die in den ausgeschriebenen Preisen (in USD) nicht direkt ersichtlich sind. Künstler müssen bei Auszahlungen relativ hohe Abzüge hinnehmen: gehobene Transaktionsgebühren (bei sämtlichen Zahlungsvorgängen, wie auch bei Auszahlungen auf das eigene Konto) und eine gestaffelte Plattform Gebühr je nach Nutzungsumfang. Der Datenschutz ist an US-Gesetze gebunden und alleine durch die notwendige Einbindung von Drittplattformen, Marketing-Cookies usw. nicht sehr hoch. Das Wissen über Nutzermerkmale der Fans wird sogar als (kostenpflichtiger) Vorteil der Plattform herausgestellt.
www.patreon.com
Youtube und Facebook - die Social-Networks: Auch diese beiden US-Giganten der Digitalisierung bieten seit kürzerem wesentliche Funktionen von Fan-Plattformen. Schon heute sind sie “Gatekeeper”, zum einen für Kontakte und deren Daten, zum anderen für Videoinhalte und Daten. Konzeptionell ist es für diese großteils aus Werbung und Datenverkauf finanzierten Firmen naheliegend, durch kleine Erweiterungen auch Zahlungsmöglichkeiten für Fans zu integrieren. Diese Optionen stehen bisher nur für reichweitenstarke “Creator” gegen ein Gebühr von 30% der gezahlten Beträge zur Verfügung, bei Youtube ist bisher eine zahlungspflichtige Mitgliedschaft dafür nötig. Durch die Hohe weltweite Verbreitung der Plattformen sind die Reichweite und die damit verbundenen Möglichkeiten für Künstler immens. Gleichzeitig räumen räumen Künstler wie Fans bereits durch die Nutzung der Basisfunktionen der Plattformen weitreichende Rechte über persönliche Daten wie auch an den eigenen Inhalten ein. Ähnlich wie bei Patreon, sind Zahlungen an die Plattformen in Deutschland mehrwertsteuerpflichtig, ausgewiesene Beträge in USD sind also gegebenenfalls noch nicht endgültig. Für Auszahlungen fallen Bankgebühren an.
www.youtube.com
www.facebook.com
getnext, das deutsche Modell. Die erst Ende 2019 gestartete Plattform wird in Deutschland betrieben und unterliegt komplett dem lokalen Recht; eigenen Angaben nach stehen die Server in NRW, auf denen alle Inhalte im Auftrag der Künstler sicher und verschlüsselt gespeichert werden. Der rechtliche Rahmen der Plattform folgt den Kriterien eines Marktplatzes, wie z.B. eBay. Inhalte werden nur im Namen der Künstler vermittelt.
Die Profileinrichtung für eingeladene Künstler erfolgt mit der Angabe eines eigenen Impressums sowie der Einrichtung eines eigenen Kontos bei einer Partnerbank.
Zahlungen der Fans gehen (inkl. MwSt.) nach Abzug moderater Transaktionskosten direkt auf das eigene Konto der Künstler. Anschließend wird davon gegen Rechnung die Plattformgebühr von 15% eingezogen. Hier bekommen Künstler ein regelmäßiges Einkommen aus selbständigem (oder gewerblichem) Betrieb auf eigene Rechnung. Der Umfang des Datenschutzes umfasst für den Fan ausschließlich die Angabe eines Nutzernamens sowie der Emailadresse; sonstige Daten gehören den Künstlern; es gibt keine Schnittstellen zur Werbeindustrie, also auch keine sogenannten 3rd Party Cookies.
www.getnext.to
Diese Auswahl stellt verschiedene Fan-Plattform-Konzepte für Künstler neutral gegenüber. Ob als Lizenznehmer, Reichweiten-Profiteur oder kaufmännischer Händler; nur die eigenen Präferenzen als Künstler für die Gestaltung der Unabhängigkeit unterscheiden sich. Es bleibt festzuhalten: Künstler können durch Geschick und die Auswahl der richtigen Plattform aus einer Vielzahl von Anbietern und Konzepten Unabhängigkeit gewinnen. Am Ende sind aber vor allem die Fans und die richtigen Inhalte die entscheidende Größe für eine sichere Einkommensplanung - und das war auch ohne Fan-Plattformen schon so.
Beitrag vom 28.02.2020 (909 Wörter); Photo von Casey Horner